TV: die schleichende Invasion

Hi,
ich muss euch von einer der für mich schlimmsten Drogen erzählen: das Fernsehen oder die "gute" alte Glotze.

Ich war dem Flimmerkasten schon verfallen, bevor ich überhaupt eigene Erinnerungen haben konnte (also schon mit 1 bis 2 Jahen).

Ich war halt schon als Würmling ein Geschichten-fanatiker.
Mir wurde immer viel vorgelesen. Mit 5 war der historische Tag an dem ich das erste "Micky-Maus- Magazin" bekam. War ich aufgeregt. Zum Glück gab es ältere Kinder in meiner Wohngegend, sodass mir jemand vorlesen konnte.

Aber das Fernsehen war einfach zu verführerisch, denn dort hatten die Geschichten ja auch Ton und ich musste nicht raten, was erzählt wurde.

Die ganze Grundschulzeit (ich hatte immer hervorragende Noten, außer in Sport) war ich eine absolute Leseratte und kannte einen Teil der Kinderbücherei in meiner Zweigbücherei auswendig.

Doch dann kam zuerst die fünfte Klasse und auf den Fuß folgte die scechste. In diesem Jahr bekamen mein Bruder und ich den Fernseher. Erst heute weiß ich, dass es wahrscheinlich das schlimmste Geschenk war, dass meine Eltern mir je gemacht haben.

Ich konnte ohne Probleme von Freitag nachmittag bis Sonntag abend davor hängen, fressen und schlafen. Zwischendurch machte ich schnell die Hausaufgaben, nahm ein Bad und so Kleinigkeiten, aber das war auch alles.

So richtig klar wurde mir das Fatale an dieser Zeit erst in den letzten Jahren, als meine Krankheit entdeckt wurde.

Anfang des Herbstsemesters 2007 dann (3 Wochen vor der polizeilichen Einlieferung in die "Klapse") stand ich in einem Seminar auf und rief, dass ich von der Glotze nun, nach 15 Jahren, ablassen würde, mitten in einem vollbesetzten Hörsaal.

Ihr zieht wahrscheinlich die Augenbrauen hoch oder lacht mich aus.

Aber ich hatte endlich öffentlich mein Problem zugegeben. Denn dieses war mit dafür verantwortlich, dass ich nach dem Abi nie mehr etwas erfolgreich abgeschlossen habe.

Seit dieser Zeit kann ich den Fernseher öfter mal abschalten, allerdings nie in der Depression. Doch beginnt die Manie, guck´ ich in die Glotze praktisch nie. Dann höre ich Musik, schreibe tausende Ideen auf, male mit Wasserfarbe und Buntstiften, tausche die zahlreichen Poster an meinen Wänden aus, fahre zum Schaufensterbummel in die Stadt oder gehe sogar mal spazieren (nun gut, diese Wege führen oft zum Friedhof, wo ich liebe Tote beweine und einmal bin ich zum Pastor gegangen und habe ihm erzählt, dass "Gott mir eine große Aufgabe zugeteilt hat", ich aber nicht wüsste, welche.

Er meinte dann, ich hätte einen "religiösen Wahn". Na ja, das war auch kurz vor dem dritten Klinikaufenthalt.

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