"Nike" (getroffen beim Warten auf den Bus)



Nike           So, 22.06.14
Ich stand an der Bushaltestelle. Es war eine laue Nacht, dennoch trieb mich eine innere Unruhe, denn der Bus hatte Verspätung und ich musste noch einmal umsteigen, bevor ich mein Heimatdörfchen erreichte. Doch irgendwann starrte ich einfach geradeaus auf den rotweißen Pöller. Er schien ein bisschen im Mondlicht zu funkeln. Wirkte er nicht sogar ein bisschen magisch? Je länger ich starrte, desto mehr schien sich das tote Ding zu bewegen. Er verwandelte sich in eine junge, schwarzhäutige Frau im weißen Kleid, die sich, über den Boden schwebend, direkt auf mich zubewegte.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sprach: „Wieso fliehst du mich?“ „Wer bist du denn?“, fragte ich. Wut stieg in ihre Augen und ihre Aura erleuchtete kurz die dunkle Straße. „Mach dich nicht lustig über die Siegesgöttin. >>>Du bist ein sehr fauler Mensch geworden, warum nur ?. Setz dich.“
Ich plumpste auf die Wartebank.
„Also“, wiederholte sie. „Warum fliehst du mich?“
Natürlich hatte ich schon oft darüber nachgedacht. Die ersten 19 Jahre war mein Leben ziemlich zufriedenstellend gewesen (und zwar für alle Beteiligten). Doch danach war ich irgendwie allem aus dem Weg gegangen, was mich auf verschiedene Art zu Erfolg führen könnte. „Ich…“ stammelte ich, „also, mir ist aufgefallen, dass ich immer überheblich werde, wenn ich eine gute Leistung vollbringe, jemand anders aber vielleicht etwas schlechter abgeschnitten hat. Wenn ich einmal elegante Kleidung trage (die für mich nicht das richtige ist) vermittle ich mein Unwohlsein durch schnippische Sprüche und Blicke. Oft sage ich etwas Verletzendes, weil ich es nicht gewohnt bin, Menschen die Hand zu reichen und zu sagen, dass sie mir am Herzen liegen“.

Nike hielt die Hand hoch, um mich zu unterbrechen. „Willst Du sagen, du möchtest dein ganzes Leben unglücklich sein und so weiterleben wie jetzt, nur weil Du Dich eine Zeit lang falsch verhalten hast?“ Du hast deine Fehler erkannt, also kannst Du Dein Verhalten verändern, oder?“
Mist, jetzt hatte sie mich ertappt. Ich schaute auf den Boden. „Ich weiß aber nicht, was ich tun soll, um auf den richtigen Weg zurück zu kommen“, murmelte ich.
Nike lächelte strahlend. Warum, wusste ich nicht.

„Zurück auf den Weg…“ sprach sie. „Genau das ist es, was Du brauchst.“ Mit einemmal hielt sie etwas winziges, strahlend Goldenes in ihrer Hand. „Den Weg schenke ich Dir, aber das Gehen musst du schon alleine besorgen. Sie berührte mich am Brustkorb und mein Herz fühlte sich wunderbar warm und voll von Tatkraft an.
Ich überlegte. Vor kurzem hatte ich überlegt, einen zweiten Versuch auf dem Jakobsweg zu machen. „Ist der Jakobsweg etwa die Antwort?“ fragte ich. „Ist das der Weg, auf den ich zurückgehen soll?“ Nike lächelte und begann sich aufzulösen.
„Finde die richtige Antwort und sie wird dich zum Sieg führen“.
Ich dachte weiter nach.
Ich hatte schon einmal eine Woche auf dem Jakobsweg verbracht. Es war die vielleicht spannendste (wenn auch nicht einfache) Woche meines Lebens.
Aber ich war damals vollkommen falsch und unvorbereitet an das Projekt herangegangen. Deswegen schrieb ich am Ende auch nur einen kleinen Text, anstelle des erhofften Buches.
Das musste es sein…
Vielleicht sollte ich bescheiden an den Jakobsweg herangehen. Vielleicht sollte ich es schätzen, mit  Menschen zu sprechen und aufschreiben, was mir beim „über den Weg laufen“ über den Weg lief und das als "Sieg über mich selbst" nehmen.

Dann kam der Bus.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog