Geschichte "Julia"


Es war eine junge Frau. Sie hatte viele Fragen und Probleme, weil ihr so viele Menschen sagten, dass sie voller Probleme steckte. Dabei hatte sie eine magische Ausstrahlung. Kranke und Kinder konnten das spüren. Die Frau war nicht reich an Gold, doch sie teilte, was sie hatte, mit denen, die überhaupt nichts besaßen. Wenn ein Eichhörnchen mit einem verletzten Puschelschwanz oder eine Schildkröte mit einem verletzten Fuß zu ihrer Tür kam, nahm sie sie freundlich auf, fütterte sie und versorgte ihre Wunden, bis sie völlig ausgeheilt waren. Wenn eine Mutter, die reich an Kindern war, sich mit Sorgen zerfurchter Stirn bei der jungen Frau meldete, gab sie ihr die Liebe zu ihrer Familie wieder und den Stolz darüber, wie gut die Kinder geraten waren. Die junge Frau dachte fast nie an sich selbst. Dabei war ihr größter Wunsch, selbst endlich Mutter zu werden. Und sie wünschte sich, wie die Menschen um sich herum, Geld zu verdienen. Doch sie war so ganz anders als ihre Nachbarn. Ihr Herz sagte ihr, dass sie nur mit ihrer Berufung glücklich werden konnte, niemals mit einem gewöhnlichen Beruf. Deshalb schämte sie sich, obwohl das doch ein verständlicher Wunsch war. Dabei merkte die junge Frau gar nicht, dass sie ihre Berufung längst lebte. Sie gab Armen und Kranken Mut und Freude, sie heilte Tiere und verstand Kinder. Sie musste nur noch eine Lösung finden, wie sie ihr täglich Brot, etwas Wein, Obst und Gemüse damit verdien konnte. Und so wehte ihr der Zufall eines Tages eine seltsame Frau vor die Tür. Sie war ganz in bunte Flicken gekleidet. Überall an diesen klingelten kleine Glöckchen, und ihr Haar war halbbraun und halbweiß. Doch sie sah etwas müde aus. "Hast Du ein Stück Brot und ein Glas Wasser für mich?" fragte die Gauklerin die junge Frau. "Natürlich, komme nur herein und setze dich. Ich habe heute morgen gebacken. Sie bot dem Gast ein kuscheliges Sofa an und deckte ihr einen gar niedlichen Tisch mit einer Karaffe Wasser, belegten Broten mit Marmelade, frisch gepresstem Orangensaft und einer winzigen Vase mit einem Setzling. Wohlgefällig besah sich die Gauklerin das Aufgetischte. In großen Schlucken trank sie das Wasser leer. Und in ebenso großen Bissen (mit genießerischem Augenaufschlag) verschlang sie das Brot. "Woher wusstest Du, das ich hungrig war?", fragte sie die junge Frau. "Ich habe dein Magenknurren gehört", antwortete diese, "und Du siehst aus, als wärest Du lange unterwegs gewesen". Die Gauklerin lächelte. "So ist es, ich reise überallhin, wo Kinder gerne Geschichten hören, also durch die ganze Welt." "Ich bin vielen Menschen begegnet, doch nur wenigen wie Dir. Du liebst es zu geben. Du hast mir geholfen, deswegen will ich Dir jetzt helfen. Jemand wie Du sollte glücklich sein. Denn Du bist dazu gemacht, Glück unter die Menschen zu bringen. Das kann aber nur, wer selbst zufrieden ist, mit dem, was er tut. "Ach, ich bin so verzweifelt, ich weiß einfach nicht, was ich tun soll, damit ich, aber auch meine Familie glücklich ist. Es ist so schwierig, heute zu leben." "Fasse nur Mut. Wenn Du das nächste Mal zur Arbeit in der Kunstschule gehst, nimm diese Dose voller Zauberstaub mit. Schütte ihn über die Theke und warte ab." "Aber ist das nicht unhygienisch?" Die Gauklerin kicherte. "Keine Sorge, es bleiben keine Reste. Der Zauberstaub wird von der Atmosphäre um dich absorbiert." "Und nun muss ich weiter, mein Kind. Wenn Du mich wieder siehst, wird alles ganz anders sein." Die Gauklerin nahm die junge Frau in die Arme, wobei alle Glöckchen zauberhaft bimmelten. Nachdenklich beobachtete die Frau die Dose mit dem Zauberstaub. Was so ein feines Pulver wohl ausrichten sollte? Am nächsten Tag hatte die junge Frau ihre nächste Schicht als Kellnerin. Es würde ein Tag mit viel Arbeit werden. Doch noch war alles ruhig. Bevor die junge Frau mit den Vorbereitungen für den Tag begann, schüttete sie die Hälfte des Pulvers vor sich in die Luft. Es war, wie die Gauklerin es gesagt hatte. Kein einziges Staubkorn landete auf der Theke. Auch in der Luft war nichts zu sehen. Doch der Wandel im Leben der jungen Frau war von nun an deutlich zu spüren. Sie fühlte sich glücklicher in ihrem alltäglichen Leben. Wer von ihr einen Kaffee serviert bekam, fing danach an, zu überlegen, wie er sein Leben schöner machen könnte oder welche Freude er seinem Kind machen könnte. An einem Abend, die junge Frau wollte gerade das Café abschließen, wehte ein Wind. Viele Blätter flogen durch die Gegend, bewegt vom Strudel der Luft. Irgendetwas sagte ihr, die Tür noch aufzulassen. Irgendetwas sagte ihr, dass noch ein später Gast kommen würde. Irgendwas sagte ihr, dass es kein Zufall war, dass sie heute Dienst hatte und keine ihrer Kolleginnen. Und richtig, bald sah sie jemanden die Einfahrt zum Café hochkommen. Es war ein junger Mann. Er trug seine Seele in seinen Augen. "Na," meinte er freundlich. "Kann ich eine Flasche Wasser bekommen, ich bin seit heute morgen unterwegs ? Ich bin einfach drauflos gelaufen, immer geradeaus. Die junge Frau lächelte. Ihr Herz sagte ihr, dass ihr Leben von nun an nie mehr sinnlos sein würde. Die Liebe hatte sie gefunden. Ich weiß nicht, ob sie glücklich bis an ihr Ende lebten, denn was ich hier erzähle ist gerade eben erst passiert. Ich weiß nur, dass die junge Frau später, als sie das erste Mal schwanger war, die Gelegenheit bekam, das Café zu erwerben. Sie baute es nach ihrem Geschmack um und machte einen Ort mit magischem Anziehungspunkt daraus. Es gab Bücher zum Lesen und für jedes traurige Herz war jemand da, der zuhören konnte. So hatte der Zauberstaub der Gauklerin ein Wunder in Gang gebracht. Oder hatte der gute Onkel Zufall seine Hand im Spiel? Das dürft ihr selbst herausfinden... Ende (dieses Kapitels von Julias Leben).

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