Die Nacht auf dem Baum (Erinnerungen an die Megamanie 2016)

 


Am frühen Morgen des 14. April fuhr ich mit meinem neu erlernten "Bekannten" zu einem Ort 60 km hinter Berlin.

Es war fast an der polnischen Grenze.
Zum Glück nicht darüber hinaus.

Ich war emotional sehr aufgeladen. 
Wir beide waren zudem sehr müde.

Die Reise begann 05.00 früh. Zuerst mit der S-Bahn, dann mit einer Regionalbahn.

Es kam kein Schaffner vorbei. Zum Glück. Mehr als 0 € konnten wir für das Ticket nicht bezahlen.

Mein Bekannter sollte sich mit seinen Eltern wieder aussöhnen. Ich hatte die Hoffnung, dass auch ich mit ihrer Hilfe wieder nach Hause kommen könnte.

Doch wir sollten niemals dort ankommen.

In dem Örtchen "Seelow" (oder so ähnlich) setzten wir uns in das Wartezimmer des kleinen Amtshauses und schliefen ein. Irgendwann erwachte ich und ging zur Toilette. (Ein Segen, wenn man pseudo-obdachlos ist).

Tobias (an seinen echten Namen erinnere ich mich nicht mehr), wachte auf und organisierte uns ein Glas Wasser.

Es war nun etwa 11 Uhr morgens. Inzwischen waren wir den Angestellten doch aufgefallen und wurden aufgefordert, unseren "Schlafplatz" aufzugeben.

Für ein paar Pfandflaschen und ein paar kleine Münzen holte ich bei Netto Futter für die Meerschweinchen, die im Moment immer dabei waren.

Es fühlte sich an, als wäre ich in meiner Filiale zuhause. 🙄😀

Dann ging der Wahnsinn weiter. Tobias hatte ein paar Euro organisiert, von denen er uns beiden Kaffee in einer Bäckerei kaufte.

Der Sitzplatz und das heiße Getränk waren sehr tröstlich aber auch zeitlich begrenzt.

Draußen schickte mich Tobias zu einem Nähwarenladen. Ich sollte mich aufwärmen.

Tatsächlich wurde ich dort sehr nett begrüßt. Doch als ich den Laden verließ, war Tobias verschwunden.

Ich versuchte, ihn oder seine Eltern in einer Postfiliale ausfindig zu machen, doch keine Chance.

Ich war zu erledigt, um etwas verstehen zu können.

Irgendwann beschloss ich, nach Berlin zurück zu fahren. Schließlich wollte ich die Wohnung des Musikers finden.

Vor etwa einem Jahr war ich noch in Spanien gepilgert. So sollten die 60 km nach Berlin doch zu schaffen sein ?
 
Doch ich brauchte irgendwie Proviant, zumindest Wasser.
 
Wie weiß ich nicht, doch ich fand heraus, dass es eine Fahrradstrecke nach Berlin gab. Und jemand brachte mich zum "Christlichen Jugendverein" (bzw. so ähnlich).
 
Ich durfte mich dort etwas ausruhen. Ich betete zu einem Bild von Jesus. Ich durfte auf Toilette gehen. Wie mich das, im wahrsten Sinne des Wortes erleichterte :-),
und bekam eine große Flasche Wasser und 2 Äpfel für unterwegs.
 
Was ich in dieser Zeit etwa einmal im Monat tat, musste jetzt auch sein. Ich rief den Vater des Musikers an, und erzählte, dass ich auf "Pilgerfahrt" ging und ob er mir erlaubte, am Leben zu bleiben. Das konnte er natürlich nur bejahen.
 
Und dann ging die spontane "Pilgerfahrt" los. Das Dorf endete und ich sah eine schöne, grüne Wiese. Dort warf ich mich hin und machte die erste Pause. Für die Schweinchen im Rucksack gab es natürlich Gras. Der Weg ging weiter. Zu dieser Zeit fand ich den Weg ganz gut. Unter einem Baum machte ich wieder Pause. Ich aß ein bisschen Apfel, die Schweinchen bekamen Trockenfutter. Ohne meine wuscheligen Freunde, wäre diese Zeit bestimmt ganz anders verlaufen.
 
Am frühen Abend machte ich in einem schönen, hölzernen Bushaltestellenhäuschen Pause und kam mir vor wie eine echte Pilgerin. Mein Ziel war nicht ein Ort, sondern die Liebe eines (unerreichbaren) Mannes.
 
Ich musste inzwischen etwa 4  km geschafft haben, in ca. 5 Stunden. 
 
Ich ging durch ein Waldstück, und pinkelte. Unter dem freien Himmel. Und dachte an meine Großmutter, die das genau so gemacht hätte.
Rindenmulch war teilweise aufgeschüttet, der erinnerte mich an die Gartenarbeit meiner Eltern. Ich mochte den Duft und das Aussehen des Mulches.

Nun war es schon etwa 20 Uhr am 14. April 2016.
Der Musiker hatte an diesem Abend ein Konzert in Italien. 

Inzwischen war ich relativ müde. Und der Weg war verschwunden. Der Wald, in dem ich nun war, lag an einer Fernstraße. Ein Zaun trennte beides voneinander. Ich setzte mich auf den Boden, fütterte die Schweinchen, trank etwas und überlegte, wie es weitergehen würde.

Ich ging wieder weiter und entdeckte bald einen umgekippten Baum, der ungefähr in Hüfthöhe auf dem Waldboden lag. Hier war ich etwas geschützt (vor was oder wem auch immer).

Ich legte mich auf den Baum, steckte die Meerschweinchen unter meinen Pullover, wo sie schon öfter geschlafen hatten und guckte in den Sternenhimmel. Ich weiß nicht, ob ich mal wieder jenes "smiley-förmiges" Sternbild sah, was mich in dieser Zeit begleitete. Aber ich sah den runden Mond, und dachte an den Musiker, der nun auf der Bühne stand, und seiner Berufung nachging.

Ich glaube, ich hatte eine Stunde geschlafe, als ich etwas hörte. Es war kein Knurren, aber ein Laut, als wäre ein Tier da, was seine Anwesenheit jedoch nicht verraten wollte. Ich bekam etwas Angst und dachte nur: "Bitte, bitte, lass' den Meerschweinchen nichts passieren."

Schnell packte ich meine Freunde wieder in ihren Tragekorb im Rucksack und machte mich zu dem Zaun auf. Er hatte irgendwo angefangen, also musste er auch irgendwo enden.

Tatsächlich... ich landete an einem Haus, mit einer weiteren Bushaltestelle davor. Es war nun 1 Uhr nachts. Ich verbrachte eine halbe Stunde im Häuschen... schlotterte dann aber. Ich klingelte am Haus, vielleicht würde ich hier Hilfe bekommen, bekam aber keine Antwort.

Gegenüber wies ein Straßenschild nach Berlin und ging etwas in die Richtung. Dort war ein Hof.
Ein Hund begrüßte mich. Er war ganz freundlich. Es tat gut, ihn zu streicheln.

Nur als ich an ihm vorbei zum Haus wollte, knurrte er.
Ein Kollege aus der Werkstatt meinte dazu, dass der Wachhund meine Krankheit wohl wahrnahm und mir deshalb auch nichts antat.

Ich ging zurück zum ersten Haus und versuchte, mittels Daumen als Tramperin mitgenommen zu werden. Das funktionierte zuerst gar nicht.

Dann kam die Polizei. Sie kontrollierten meinen Ausweis, wohl weil sie fürchteten ich sei eine Einbrecherin oder aus einer Klinik geflohen.

Als sie keine negativen Infos bekamen, waren sie sofort viel freundlicher. Ich durfte mit ihnen zu einem Bahnhof fahren. Sie erzählten mir, dass ich etwa 6 km von meinem Ausgangsort entfernt war, also ein Zehntel der Gesamtstrecke geschafft hatte.

Sie stellten die Heizung an, weil ich vor Kälte schlotterte, gaben mir Würstchen und Brötchen, heißen Tee und Limo über die ich sehr dankbar war. Kurz bevor der erste Zug kommen sollte, gaben sie mir den Rat, mir Fahrgeld zusammen zu betteln, was ich dann auch tat, und verabschiedeten sich von mir.

Ich hatte Glück und bekam von einer netten Frau (ich mochte ihr erzählt haben, dass ich schwanger sei) bestimmt 7 € und fuhr müde nach Berlin.

Im Zug waren nur Pendler und die Schaffnerin kontrollierte die Tickets nicht.

Als ich glücklich in Berlin ankam, investierte ich mein Geld lieber dort in ein Tagesticket.

Zum Glück. Am Abend sollte ich kontrolliert werden. Aber das soll später berichtet werden.

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Buch: "Quendel- Windzeit, Wolfszeit
CD: Frozen II - Banda Sonora Original
Film: Justice League
Meerschweinchen: 1 Geburtstagsschwein (Cappuccina ist 5 geworden); 2 Patchworkfamilien-Schweinchen



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