Mühlenkind 2004 (geschrieben in Ausbildung bei "NWB" Herne) Heldin: Elena

 Verheißungsvoll rauschten die Bäume des großem Baumkreises im Wind. Hin und her wiegten sich ihre
Kronen, als wollten sie von etwas wundervollem künden, das da kommen sollte.
Sturm peitschte die Hügel und Felder rund um den Baumkreis. Ängstlich versteckten sich die hier
lebenden Tiere in ihren Höhlen. Nur in der Kornmühle wurde dem Unwetter keine Beachtung geschenkt.
Hektisch rannte das Mädchen hin und her, während die Müllersknechte die Esel versorgten. Froh waren
sie, dass sie nicht helfen konnten. Danach setzten sie sich bei einem Bier an den alten Küchentisch, der
hier schon gestanden habe, als die Großmutter des Müllers geboren wurde.
-„Lise, können wir nicht irgend etwas tun?“ fragten die drei sonst so lauten Kerle schüchtern.„Ja, bleibt
einfach sitzen und trinkt euer Bier. Ich schaffe das schon, schließlich habe ich sechs jüngere Schwestern.“
Erleichtert wandten die Männer sich wieder ihrem Gebräu zu.

Schweißnass lag die Müllerin in ihrem Bett. Vor Schmerz schlug sie um sich, während Lise versuchte, ihr
das Gesicht abzutupfen. „Oh weh“, dachte Lise, „wäre der Herr doch nicht ausgerechnet heute zum Markt
gefahren!“
Lise schaute aus der Fensteröffnung und fragte sich, was für ein Kind wohl da heute zur Welt käme, denn
oft bedeutete ein stürmisches Geburtswetter auch einen ebensolchen Charakter.
Um sechs Uhr in der Früh schrie endlich ein gesundes, kleines Mädchen in der Mühle des Müllers
Ferdinand . Währenddessen erhob sich über dem Baumkreis die Sonne.

Aufgeregt huschten die kleinen Baumbewohner wie Eichhörnchen, Kaninchen und Mäuse von einem
Baum zum nächsten. Auch ein majestätischer Dachs machte sich gemütlich auf den Weg. Sie alle ahnten,
dass da unten in der Mühle ein besonderes Kind zur Welt gekommen war.

Leise kicherten die Dryaden des Baumkreises.

„Sie ist geboren, eilt, Schwestern, wir müssen sie holen, schon jetzt schwebt sie in großer Gefahr“,
tuschelten die Dryaden.
Dem König war geweissagt worden, dass sein erster Sohn sich eines Tages in eine Müllerstochter
verlieben würde, die vorgab, eine Prinzessin zu sein. Schon seit Wochen jagte der König durchs ganze
Land, stiftete Panik in den kleinen Dörfern und hatte auch schon so manches Mädchen getötet, nur um

sich von seinem Magier sagen zu lassen: “Das war die Falsche!“ Die Dryaden des Baumkreises aber
hatten sich das erwählte Kind als ihr Patenkind auserkoren, denn sie mochten es nicht, wenn Machtgier
und Stolz das Schicksal beeinflussen sollte.
Ferdinand indes hielt sein Baby auf dem Arm. Zärtlich strich er über den blonden Flaum auf dem kleinen
Kopf. Die Müllerin lächelte ihren Mann erschöpft aber glücklich an.
Plötzlich erfüllte Musik die Mühle. Eine zarte Stimme sprach:“ Ferdinand, höre mir zu. Du musst dein
Kind zum Baumkreis bringen!“
Erschrocken sahen sich die jungen Eltern an. Sie sollten ihr neugeborenes Kind weggeben, das sie sich so
lange gewünscht hatten?“

Schon fuhr die Stimme fort: „Wenn Du es nicht tust, droht deinem Kind große Gefahr! Im Baumkreis
wird sie an ihr vorüberziehen, denn eine bedeutende Zukunft steht ihr bevor. Doch vergiss nicht, deiner
Tochter einen Namen zu geben, denn nur wer einen Namen hat, wird vom Baumkreis geschützt.“
Die Müllerin schluchzte: „Wir wollen sie Elena nennen, nach meiner Großmutter.“ Zärtlich gab sie ihrem
Töchterchen einen Abschiedskuss, denn sie befürchtete, ihr Kind niemals wieder zu sehen.
Ferdinand wollte die Stimme noch etwas fragen, doch mit einemmal war es in der Hütte still wie zuvor.
Ein letztes Mal drückte die Mutter Elena an sich. Doch bevor sie sich endgültig von ihrem Kind trennte,
hängte sie ihm eine kleine Phiole um den Hals und sprach: „Dieses soll Dir einst in großer Gefahr nützen.
Dreimal kannst Du die Phiole gebrauchen, doch nicht einmal mehr. Bewahre diese Worte in deinem
Herzen!“
Mit einem mulmigen Gefühl legte Ferdinand kurz darauf das Bündel vor dem Baumkreis ab.
Wieder ertönten die zauberhaften Klänge und ein Windhauch nahm sanft das Baby und hob es in den
Baumkreis.

Erneut sprach die Stimme: “Habe keine Angst, Müller. Elena wird nichts Böses geschehen. Wenn die
Gefahr vorüber ist, wirst du sie wieder sehen. Nimm diese Umhänge für dein Vertrauen. Wie von
Geisterhand kamen zwei Umhänge geflogen und legten sich zu Füßen des verdutzten Mannes.-„Nimm sie
und verlasse diese Gegend!“
Der Müller tat, was die Dryade ihm gesagt hatte und verließ am Mittag mit Frau, Knechten und einem
voll beladenen Karren die Mühle, gerade rechtzeitig.

Als der König nur wenige Stunden später mit seinem Gefolge den Platz erreichte, an dem eigentlich die
Mühle stand, fand er...nichts. Die folgenden Jahre vergingen für Elena wie im Flug. Dank der Dryaden,
die die Mühle in den Baumkreis gebracht hatten, wuchs sie in einer menschlichen Behausung auf.
Viele Menschen hätten sich bestimmt die Finger nach dem Leben der Müllerstochter geleckt. Für alles
wurde gesorgt. Das Essen stand in der richtigen Menge auf dem Tisch, sobald Elena Hunger verspürte.

Wünschte sie sich etwas anderes, wie ein neues Haarband, war es im Handumdrehen da. Ihre elfenhafte
Figur bewahrte sie sich durch lange Waldspaziergänge. Um ihre Bildung kümmerten sich die drei
Dryaden abwechselnd. So lernte sie alles, was eine junge Frau so wissen muss. Elena konnte sticken,
Latein lesen und schreiben, tanzen und mit ihren Manieren hätte sie sich auch bei Hofe nicht lächerlich
gemacht. Doch irgendwann wird einem auch das Schönste zuwider, muss man es alleine erleben. Elena
sehnte sich nach nichts mehr als nach menschlicher Gesellschaft. Trübsinnig lief sie zur ältesten Dryade:
„Werde ich eines Tages etwas anderes sehen als den Baumkreis und den Wald? –„Natürlich mein Kind,
schon bald wirst Du, ausgestattet mit allem, was eine zukünftige Königin braucht, nach Meldún fahren.“

Mit großen Augen starrte Elena ihre Ziehmutter an. –„Königin, Meldún...wie soll ich...?“
Beruhigend tätschelte der Baumgeist Elenas Wange: “Du wirst schon sehen, alles wird werden, wie es
sein soll“.

Langsam verstrichen die folgenden Wochen, bis Elena endlich, in einer goldenen Kutsche, gezogen von
vier Pferden, den Weg in die Hauptstadt des Königreiches antreten konnte.

Nervös lief der König auf und ab. 16 Jahre waren vergangen und noch immer hatte er nicht die geringste
Spur des Bauernweibes gefunden, welches sich anmaßen wollte auf seinem Thron zu sitzen. Der Prinz
war inzwischen ein ansehnlicher Jüngling geworden.

Die schönsten Damen des Königreiches hätten alles gegeben, um nur ein paar Worte mit ihm wechseln zu
dürfen. Doch der Thronfolger interessierte sich nur für Bücher. Stunden verbrachte er mit dem Lesen von
spannenden Geschichten und Erkenntnissen in der Bibliothek. Was sollte er nur mit Nicolai machen?
Zwar liebte dieser das Reiten, aber nicht auf einem Schlachtross, sondern nur mit einfachen Pferden durch
Feld und Flur. Und überhaupt: Waffen nahm er nur widerwillig in die Hand, wie wollte er einst sein Land
verteidigen, lieber verbrachte der Thronanwärter seine Tage mit Nachdenken. Angekarrt aus dem ganzen
Land verschlangen die Bücher Unsummen!“ Der König sah keinen Nutzen in ihnen. Ein Buch konnte
einem bei der Eroberung eines Königreiches auch nicht weiter helfen. Wie konnte er aus seinem Sohn nur
einen würdigen, hart durchgreifenden Nachfolger machen?

In dieser Nacht schlief der Landesherr kaum.

Elena saß in ihrer goldenen, mit Samtpolstern ausgestatteten Kutsche, las und wartete auf die Ankunft in
der Hauptstadt. Begierig nahm sie alles auf, was es zu sehen gab: Türme, Kirchen und die vielen, vielen
Menschen, die dem prächtigen Gefährt hinterher gafften. Gedankenverloren spielte sie mit der
geheimnisvollen Phiole, die sie, soweit sie sich erinnern konnte, immer um den Hals getragen hatte.

Der König bemerkte als erster die Kutsche, die vor dem Schloss hielt. Wer so eine Kutsche besaß, dem
musste es gut gehen. Hell blitzte das Gold in der Sonne.

-Die königlichen Wagen konnten gut einen neuen Anstrich vertragen, überall zeigten sich Risse. Leider
war die Staatskasse zur Zeit leerer, als ein Käselager, das von Mäusen heimgesucht wurde. Schnell rief er
seinen Sohn, um den hohen Gast gebührend zu empfangen.

Beiden verschlug es beim Anblick der Frau, die da ausstieg, die Sprache. Doch Elena lächelte den Prinzen
einfach nur liebenswürdig an und sein Herz trommelte in seinen Ohren. Er wusste, dass seine zukünftige
Gemahlin vor ihm stand.

Gierig glitzerten die Augen des Königs, als er die offensichtliche Zuneigung der beiden bemerkte. Wortlos
hielten sich Nicolai und Elena an den Händen, während der davon ging, um die Höhe der Mitgift
auszurechnen, die Elena mit in die Ehe bringen würde. Außerdem wollte er alle seine Schulden aufstellen
und kalkulieren, welches Kriegsgerät das Königreich bräuchte, um in der Welt wieder eine Rolle zu
spielen.
Schon am nächsten Tag wurde auf Anordnung des Königs ein prächtiges Hochzeitsfest gefeiert.
Nicolai und Elena widersetzten sich dem nicht. Sie hatten längst entdeckt, dass es vieles gab, was sie
verband. Nicht nur fremde Sprachen und die Wissenschaften, sondern auch die Liebe zum Gärtnern und
das Aufziehen der verschiedensten Tiere.

Das Volk jubelte dem hübschen und klugen Paar zu. Die Menschen, die waren wie du und ich, hatten die
schöne „Prinzessin“ sofort in ihr Herz geschlossen. Denn meistens verstehen die einfachen Leute viel
mehr von der Bildung des Herzens als die sogenannten „Großen der Welt“. Wer nur damit zu tun hat,
Befehle zu geben und das Staatssäckel im Blick zu haben, vergisst leider viel zu oft, sich um sein Volk zu
kümmern. Deswegen war der König auch nicht gerade beliebt, was ihn leider überhaupt nicht scherte.
Elena und Nicolai genossen eine kurze, glückliche Zeit der Zweisamkeit. Doch schon bald rief der König
sie in einer dringenden Sache zu sich.

Scheinbar gramgebeugt empfing der König die jungen Liebenden. Zum Steinerweichen jammerte er:
„Ach, das Fest, das ihr unbedingt feiern wolltet. Es hat mich und das Reich in die größten Unkosten
gestürzt! Wie nur soll ich die Schulden an den Nachbarkönig Famoso bezahlen, wenn mir meine
Gläubiger, all die kleinen Handwerker und Köche, die das Fest ausgestattet haben, das Tor einrennen?
Am Ende wird es noch Krieg geben, und das nur, weil Ihr feiern musstet, wie es kein anderes
Herrscherpaar je getan hat.“

Entsetzt und verblüfft sahen Nicolai und Elena sich an. „Vater“, sprach der Prinz, „ auf deinen Befehl
haben wir geheiratet, all der Pomp, die exotischen Tiere, die Früchte, sie kamen doch aus deinen Gärten.
Wie sonst hätte das alles in so kurzer Zeit beschafft werden können?

„Die Schulden an Famoso bezahlst Du doch seit Jahren nicht!“

„Schweig, du Undankbarer. Wer weiß wie lange ich noch unter den Lebenden weile? Famoso hat schon
eine Warnung geschickt“, entgegnete der König.
Er zog ein mit Blut bespritztes Schwert unter dem Thron hervor und setzte ein leidendes Gesicht auf.
Elena, die den König durchschaut hatte, ihn aber als ihren Schwiegervater nicht bloß stellen wollte,
sprach: „Hoheit, ich will nicht Schuld sein an der Zerstörung meiner neuen Heimat. Gibt es eine
Möglichkeit, diesen Krieg zu verhindern?“ „Ach, mein liebes Kind, es gibt einen Weg, aber ich kann ihn
dir nicht sagen. Du würdest dich in eine tödliche Gefahr begeben.“ Elena umfasste instinktiv die Phiole an
ihrem Hals. Sie hörte eine Stimme wie aus weiter Ferne: „Diese Phiole soll Dir einst in großer Gefahr
nützlich sein.“ Das Mühlenkind wusste, dass diese Prüfung jetzt bevor stand. Erst wenn der König ihr
Glück nicht mehr verhindern wollte, würde sie endlich nach ihren Eltern suchen können und Frieden
finden. Und erst dann würde sie mit Nicolai glücklich werden können.
Elena küsste Nicolai ein letztes Mal und sprach: „Ich fürchte mich nicht. Müsste ich auch bis ans Ende der
Welt gehen, ich besorge das Gold!“
Ein böses Funkeln trat in die Augen des Königs. Jetzt hatte er die Chance, einerseits die lästige
Schwiegertochter loszuwerden und sich andererseits mit dem Nachbarkönig gut zu stellen. „Dann gehe
bis ans Ende der Welt. Gehe bis zur Hölle. Der Teufel besitzt eine magische Truhe. Traust du dich, diese
zu besorgen, so kann ich damit alle Schulden tilgen.“

Früh am nächsten Morgen brach Elena auf.
Fröstelnd ritt Elena über taunasse Wiesen. Ausgerechnet die Goldtruhe des Teufels, die verzaubert war,
und sich nach jeder Leerung wieder füllte, sollte sie dem habgierigen König bringen. Ein unermesslicher
Schatz, mit dem hunderte von Kriegen verhindert werden könnten. Elena rastete an einem Fluss, als ihr
die älteste Dryade erschien: „Kind, wir sind froh, dass Du die Herausforderung angenommen hast. Und
sei gewiss, du wirst nicht scheitern. Du besitzt das gesamte Wissen der Dryaden und die Phiole deiner
Mutter. Sei dennoch vorsichtig. In die Hölle wirst du alleine gehen müssen. Unsere Macht besteht nur auf
der Erde, wo es atmende Pflanzen gibt“. Und schon verschwand die Ziehmutter, nur das Rauschen des
Flusses durchbrach die Stille.

Wochen brauchte Elena, um den Weg zur Hölle zu finden. Sie wurde immer müder, aber jedes Mal, wenn
sie die Phiole an ihrem Hals berührte, gab ihr diese ein bisschen Kraft. Schließlich trennte nur noch ein
verqualmter, schwarzer See Elena von ihrem Ziel. Ratlos wickelte sie sich ihre goldenen Locken um die
Finger. Da tauchte aus dem Nichts ein buckliges, altes Männchen vor ihr auf. Kichernd krächzte es : „Wo
willst Du hin? Flieh besser diesen Ort, solange du noch kannst!“

„Nein, ich muss in die Hölle gelangen! Sonst werde ich meine leiblichen Eltern niemals finden, und
auch nicht meinen Ehemann, den Prinzen behalten dürfen“, antwortete Elena mutig.

Ihre eigentliche Aufgabe erwähnte sie gar nicht, denn diese diente ja nur als Mittel zur Erfüllung ihrer
Sehnsucht. Außerdem könnte der seltsame Alte ein Diener des Teufels sein.

-„Na, gut, ich sehe Du willst nicht aus Eigennutz den Teufel bestehlen.“

Erleichtert atmete Elena auf, der Alte zwinkerte ihr freundlich zu und fuhr fort: „Ich will Dir helfen.
Gib mir eine Locke deines Haares.“ Als sie seinen Wunsch erfüllt hatte, verwandelte sich die
Müllertochter in ein weißes Täubchen.
-„Tut mir leid, aber noch kein Mensch hat diesen Ort lebend wieder verlassen. Tiere hingegen werden gut
behandelt. Die Schwester des Teufels hat ein Herz für sie, sie kocht sie nur sehr ungern für ihren Bruder.
Jetzt fliege los! Du hast genau einen Tag Zeit bis du zurück verwandelt wirst. Gurrend flog die Taube in
den Nebel. Sie landete vor den Füßen des Teufelsweibes. „Ei, wer bist du denn?“ fragte die Satanin.
„Guru“ antwortete Elena.-„Hm, hoffentlich möchte mein Bruder nicht ausgerechnet heute Abend
Täubchen essen. Es wäre schade um dich.“

Am Nachmittag stieg die Temperatur in der Teufelin Küche ins Unermessliche. Der Teufel kehrte vom
Tagwerk auf der Erde zurück: Seelen fangen, Menschen Unglück bringen und was der Beelzebub eben so
treibt. -„Jetzt müsst Ihr euch ruhig verhalten, liebe Tierchen, wenn Ihr nicht auf dem Teller meines
Bruders lande wollt“ zischte die Teufelin.

Doch dieser Warnung hätte es gar nicht bedurft. Alles Gurren, Quaken, Quieken, Schnattern und
Grunzen war bereits völlig verstummt. Tiere spüren es sofort, wenn das Böse naht. Aber die Teufelin
wollte im Besonderen das neu eingetroffene Täubchen warnen, das ihr besonders am Herzen lag.

„Pech und Schwefel“ hallte es durch die Höhle. “Wo bleibt mein Fressen? Ich brauche etwas Fettes,
sofort! Her mit dem Braten, Alte!“

-„Ja, ja, sofort, lieber Bruder“, schmeichelte die Alte. Fresschen ist gleich fertig, aber du weißt ja,
meine alten Knochen...sie haben schon ein paar tausend Jahre auf dem Buckel und können nicht mehr so
wie sie wollen.“

Endlich legte sich der Bösewicht schlafen. Die Stimmung entspannte sich, da die unmittelbare Gefahr
gebannt war. Die Tiere wurden gefüttert und die Köchin gönnte sich eine glühend heiße Tasse
Magmasuppe.

Prüfend sah die Teufelin Elena über den Rand ihres Trinkgefäßes an.-„Also, Prinzessin, wie kann ich
Dir helfen...sage nichts! Ich werde dich nicht verraten, aber mir ist es möglich, die Seele eines jeden
Lebewesens zu erkennen. Doch mir macht es Spaß meinem Bruder den einen oder anderen vor der Nase
wegzuschnappen. Seine Arbeit soll nicht zu leicht sein, was soll ich mit ihm anfangen, wenn er mittags
schon wieder hier ist?“

Elena nahm ihren ganzen Mut zusammen und teilte in der Taubensprache mit:“ Ich brauche unbedingt
das Kästchen, das sich immer wieder neu füllt, bevor ein Tag vergangen ist.“

-„Das Kästchen, warum ausgerechnet das?“ „Mein Schwiegervater ist sehr geizig. Er hat meine Hochzeit
mit seinem Sohn, dem Prinzen Nicolai nur als Vorwand benutzt, seine Schulden nicht zu bezahlen. Wenn
ich das Kästchen nicht heimbringe, wird das ganze Land in einen Krieg verwickelt werden. -„Aha, und
was noch ?“ Elena hielt inne, wusste aber, dass sie ohne die Wahrheit zu sagen, keine Hilfe erwarten
könnte.-„Ich selbst brauche Gold, um die Suche nach meinen Eltern beginnen zu können. Ich wurde von
drei Dryaden aufgezogen. An meinem sechzehnten Geburtstag erzählten sie mir, dass meine Eltern noch
am Leben sind, aber niemand weiß, wo es sie hin verschlagen hat.“ Die Teufelin lächelte, so gut dies mit
ihren schwarzgelben Zahnstummeln möglich war.

„Wenn das so ist, werde ich dir helfen. Aber versprich mir, den König hierher zu schicken. Diesem
Lumpen will ich gehörig die Ohren lang ziehen! Also, höre meinen Plan...“
Schnarchend lag der Höllenfürst auf seinem steinigen Bett, das bedeckt war von Tierhäuten, deren
Besitzer schon lange eines qualvollen Todes gestorben waren. Das zauberische Kästchen hielt er fest in
seinen Klauen.

Als er mit einer Taubenfeder gekitzelt wurde, musste er so lachen, dass er das Kästchen einen Moment
losließ. Erst am nächsten Morgen, bei der Entdeckung des viereckigen Steins, der in seiner Armbeuge lag,
machte der Bocksfüßige einen ...nun ja.. Höllenradau.

Nur durch den Hinweis seiner Schwester, dass er ohne sie verhungern würde, ließ er sie am Leben.

Als die Teufelin Luzifer von dem „Gast“ erzählte, der bald eintreffen würde, erzitterte die Hölle von
seinem Gelächter.

Elena verteilte indes viel Geld an die Bettler, die ihren Weg säumten. Und da Worte um ein Vielfaches
schneller sind als Pferde, wusste bald das ganze Land von der großzügigen Schönen, die zum
Königsschloss ritt.

Nervös lief der König in seinem Palast auf und ab. Vor Wut schnaubte er:“ Dieses Mädchen hat doch
tatsächlich die Aufgabe erfüllt. Wenn sie hier lebend ankommt, kann sie mich wirklich dazu zwingen,
meine Schulden einzulösen! Nachdenklich kratzte er seinen Bart und sagte zu sich: Ich bin sicher, dass
Nicolai eine Andere finden würde...

Grausam blitzten seine Augen auf. In seiner Gier dachte er überhaupt nicht mehr an die Menschen um
sich herum, die unter ihm zu leiden hatten.

-„Ich frage mich, wo der Junge überhaupt steckt?“

Nicolai war schon lange seiner Liebsten entgegen geritten. An ihr hatte er nicht gezweifelt, dagegen
schon an den ehrenvollen Absichten seines Vaters.

Erleichtert schloss sich das Paar in die Arme.-„Elena, wie froh ich bin, dass es Dir gut geht!“

Wieso sollte es anders sein? entgegnete diese. Die nächste Frage kam ihr schwer über die Lippen:
„Plant dein Vater etwas Böses?“

-Ja, ich befürchte es. Die letzten Tage hat er ausschließlich in seinem Studierzimmer verbracht. Das
Essen hat er sich hoch bringen lassen.

Plötzlich legte sich ein schmutziger Arm um Elenas Hals. Nur die Phiole konnte den Meuchelmördern
Einhalt gebieten. Wie junge Hunde im Wasser schwebten sie hilflos in der Luft. Erst als das Paar die
Lumpen mit viel Gold vom zerrütteten Geist des Königs überzeugt hatte, wurden sie unsanft auf den
Boden hinab gelassen.

Danach warteten alle am gemütlichen Lagerfeuer auf die Ankunft seiner Majestät.- Elena hatte den
Herrscher richtig eingeschätzt, dessen Gier auf das Kästchen war so groß, wie seine Liebe zu Elena gering
war.

Doch er sollte das junge Paar nie erreichen. Er setzte sich auf seinen schnellsten Rappen. Doch seine
Gier führte ihn in die Irre und so ritt, und ritt, und ritt er...bis ans Ende der Welt. Hier wies er den
freundlichen Alten barsch ab und betrat er in menschlicher Gestalt die Hölle. Ein wahrer Feuersturm
brach los und verschlang den Bösen König. Kein Mensch hat ihn je mehr gesehen.

Ein letztes Mal erschien die Dryade ihrem Ziehkind: „Mein liebes Kind, du hast die Prüfungen
bestanden, wie ich es dir gesagt habe. Du und Nicolai werdet ein langes, glückliches Leben führen.

Doch, höre, mein Sohn, wandte sie sich an den Prinzen: „Für dich habe ich eine schlechte Nachricht.
Ihr beide werdet alleine regieren müssen, dein Vater ist an seiner Gier zugrunde gegangen.

Weinend lehnte sich Nicolai an seine Königin. Schließlich hatte er seinen Vater geliebt. Doch das Volk
brauchte einen König und bald schon besann er sich eines besseren und dachte an die Zukunft. Zunächst
musste einen Krieg verhindert werden.

Schnell waren die Schulden bezahlt und der Friedensvertrag unterschrieben, wie es längst schon hätte
passieren können, denn Famoso war im Grunde ein friedliebender Herrscher.

Fortan hatte das Land zwei gütige und gerechte Regenten, die bald einen kleinen Sohn bekamen.

Und was wurde aus Elenas Eltern?

Schon bald klopften sie an das Schlosstor und wurden freudig empfangen. Ja, auch sie hatten von der
Königin mit der Zauberphiole um den Hals gehört und sich frohen Herzens auf den Weg zu ihrer Tochter.

Als letztes Geschenk an ihr Ziehkind hatten die Dryaden die Mühle aus dem Baumkreis in den
Schlossgarten befördert. Jetzt hatte der Müller endlich seine geliebte Mühle wieder, wenn diese auch nur
als Treffpunkt und Spielplatz für die Enkel benutzt wurde. Doch, werdet ihr einwenden, was ist aus der
goldenen Phiole geworden? Noch zweimal konnte sie benutzt werden. Die Königin aber bewahrte sie in
der Kiste des Teufels auf und irgendwann waren beide Dinge einfach nicht mehr da.

So endet das Märchen vom Mühlenkind. Und alles war so, wie es sein sollte.

ENDE

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